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Szary von Moderat/Modeselektor über Container, Fotografie und die Modeselektion

Vor zehn Jahren erschien auf Ellen Alliens Label BPitch Control die erste Platte von Modeselektor mit Titeln wie „Dustin der Kleene“ und „Das Claudia Woelky Massaker“. Seitdem ist einige Zeit vergangen, Gernot Bronsert und Sebastian Szary haben ihren Sound weiterentwickelt, als Moderat ein Album mit Apparat aufgenommen und im Laufe vieler Welttourneen unzählige Musikerkollegen kennengelernt und Freundschaften geschlossen. Einige davon sind zusammen mit Musikern ihrer beiden Labels Monkeytown und 50Weapons auf der am 29. Juni erschienenen zweiten „Modeselektion Vol.02“ zu hören. Anlässlich dazu, traf ich mich mit ihm zum Gespräch und er stellte im Anschluss die nächste Playlist für Radio VRU zusammen. (Interview und Fotos: Julius Brodkorb)

SZARY ÜBER DIE MODESELEKTION

„Die erste Modeselektion kam im September 2010 und war tatsächlich der richtige Startschuss für Monkeytown. Siriusmo hat parallel in der Zeit an seinem ersten Album gearbeitet, welches auch kurze Zeit später abgesegnet wurde. Wir haben ja auf dem Melt! Festival die Meltselektion, eine Bühne, die wir von vorne bis hinten kuratieren, um einen gewissen Flow zu haben. Oft hat man ja ein bisschen Kraut und Rüben, wenn ein Veranstalter verschiedene Leute aus verschiedenen Ecken zusammenstellt. Uns ist im kleinen oder mittelgroßen Rahmen nicht unbedingt wichtig, dass man einen homogenen Musikstil hat, sondern der Verlauf ist entscheidend. Die Leute sollen eigentlich gar keinen Grund haben abzuhauen. Aus dieser Kuration heraus ist die Idee entstanden, das Ganze mal auf einen Tonträger zusammenzufassen. So war das bei der Volume 01 und so ist es bei der Volume 02 genauso.

Die Musiker sind einfach Leute, die wir auf Tour treffen, mit denen man sich austauscht und woraus man dann eine Compilation zusammenstellt. Früher hat man Zigarrenbilder gesammelt und in eine riesige Mappe eingeklebt und so ungefähr ist es jetzt eigentlich auch. Vertreten sind die USA, Kanada, United Kingdom und andere Länder. Zum Beispiel die Niederlande mit Martyn, Frankreich mit Sound Pellegrino, New York mit Soft Circle, Chemnitz mit Diamond Version, die jetzt gerade ihr Live-Projekt starten. Oder die Frikstailers, die wir vor Jahren mal in Buenos Aires getroffen haben, Prefuse 73 hatte ich überhaupt nicht mehr auf dem Schirm. Kurz vor Redaktionsschluss kamen auf einmal noch so viele Leute.

Auch Soft Circle, Hisham Bharoocha, den wir schon oft in New York getroffen haben. Ein Instagram-Fotograf, aber auch richtiger Fotograf, Künstler und ein super Drummer. Er ist ein netter Typ mit japanisch-birmanischen Wurzeln, der früher bei Black Dice gespielt hat. Dann noch Jan Driver und Siriusmo, wobei letzterer als einziger Künstler (neben Modeselektor) auf beiden Modeselektions vertreten ist. Bambounou ist ein junger Stern aus Frankreich. Monolake sollte eigentlich auch schon auf der ersten dabei sein. „Levitate“ von Egyptrix war aufgrund dessen, dass es einer der ersten Tracks war der reinkam, von Anfang an immer ganz vorne in der Tracklist und ist auch ein super Anfang.

Wir sind auch sehr stolz und glücklich dass Clark mit drauf ist. Als er seinen Track, damals noch in einer anderen Version, geschickt hat, war ich erst mal völlig baff… und dann irgendwann dachte ich, den Track kennst du irgendwoher. Es ist natürlich ein bis dato noch unveröffentlichter Track gewesen, aber dann konnte ich mich an eine der ersten Modeselektions in Manchester Warehouse Project erinnern, wo auch Clark gespielt hat. Er denkt sich die Tracks aus für ein Live-Set, spielt sie, nimmt sie zuhause oder im Studio in einem Live-Kontext auf und deswegen gibt es dann zig Versionen. Mich hat dieser Track damals extrem beeinflusst. Wie er das performed hat, mit zwei MPCs, einem DJ-Mixer in der Mitte und ein Moog Prodigy oder irgendein anderer abgeranzter Synthesizer mit Holzvertäfelung an der Seite und wie er den gespielt hat. Ich finde er ist ein Könner.“

SZARY ÜBER BROSTEP UND OTTO VON SCHIRACH

 „Ich hoffe, dass Brostep schnell vorbei ist. Es geht nicht darum, dass die Wellenform eines Stücks wie ein einziges Rechteck aussieht und der Sound völlig hochkomprimiert und zwanzig Mal normalisiert ist, sondern darum, was für eine Idee dahinter ist. Dieser ganze Brostep und Moombahton-Kram, speziell der US-amerikanische Markt, verfolgt immer das gleiche Prinzip. Du hast mehrere Parts, die sich abwechseln, im Prinzip immer die gleiche Sequenz, aber an diese ganzen 08/15-Billo-LFO-Wackel-Basslines komme ich einfach nicht mehr dran. Wenn man bei Otto von Schirach kurz reinhört, entdeckt man zunächst einmal die Verwandtschaft der Musik mit dem gerade Besprochenen. Otto von Schirach ist ein total sympathischer Typ. Er hatte uns einen Ordner geschickt mit ungefähr 30 Tracks, Songs, Skizzen, teilweise sehr noisig, aber er hat’s einfach voll drauf, was Sound und Ideen angeht. Wir mussten uns fragen, ob wir uns daran wagen oder ob wir eine einstündige Auswahl aus verschiedensten Stücken dieser 30 Tracks machen. Und dabei ist ein ziemlich poppiges Album rausgekommen, bei ihm kommt die Struktur wirklich vom Song und nicht von Tracks. Und das stellt die ganze Sache dann wieder in einen anderen Kontext.

Warum er bei Monkeytown sein Album rausbringt? Ich glaube, Gernot hat ihn einfach gefragt. Wir schreiben ihm eigentlich immer mal wieder für Track-Ideen, wo wir uns Ottos Stimme vorstellen können. „Evil Twin“ war der Punkt, wo wir nach langer Zeit wieder kommuniziert haben. Danach standen wir eigentlich wieder aktiv in Kontakt und er schickte uns einen Ordner. Wir haben das dann zusammen im Team besprochen und verschiedene Versionen gemacht.“

SZARY ÜBER FOTOGRAFIE

„Ich habe mal überschlagen, dass ich ungefähr seit 2002 fotografiere. Wir haben uns damals eine einfache Digitalknipse geholt, eine Ixus 3, die für damalige Verhältnisse echt gut war und die man schön in die Hosentasche packen konnte. 2003 sah die digitale Fotografie noch etwas anders aus, da war die Sony Mavica noch im Gedächtnis. Bei 1,5 Millionen Pixeln war man noch beeindruckt, die Entwicklung geht ja auch recht schnell. So gibt es seit ungefähr 10 Jahren ein Archiv an Bildern von Modeselektor. Ich denke, das sind pro Jahr etwa 20.000 Bilder, vielleicht insgesamt 400.000 Fotos. Ich bin eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt die Bilder von A nach B zu kopieren, das sind ja Terabyte an Datenmengen. Wenn die Festplatte abkackt, sind einfach mal 10 Jahre Fotos weg.

Wenn ein ganz normaler Consumer, der sich im Elektromarkt eine Digiknipse kauft und die ganze Zeit Bilder fürs Familienalbum macht – was ist dann, wenn irgendwann mal das Leben vorbei ist? Man hat dann eine Nachlassverwaltung und alles landet beim Trödelhändler, das sind Stühle und Tische oder Fotokisten, aber digitale Daten? Irgendwann kann man die Formate auch nicht mehr lesen. Und das ist wirklich ein Problem.

Ich habe das bei Moderat festgestellt, am Ende der Tour 2009/2010, hatte ich einen Ordner mit ungefähr 25.000 Bildern, die ich damals noch auf DVDs gebrannt hatte. Auf der Tour hab ich teilweise fast in Daumenkinofrequenz geknipst. Ich hab damals noch mit einer kleinen Kamera, noch nicht mit der Leica M8, jede Kleinigkeit fotografiert, im Tourbus, beim Aussteigen die Füße, Flughafen Tegel, immer wieder die gleiche Prozedur.

Ich hab mir Ende letzten Jahres zwei Analog-Kameras geholt, darunter eine Leica CL, mit der ich erst mal 20 Filme fotografiert habe – ohne zu wissen wie sich die Kamera verhält – diese gut entwickeln lassen und das Ergebnis war grandios. Die Farben sind einfach unglaublich. Jetzt weiß ich, wie sie funktioniert und bin mir vorher schon sicher, dass das Bild etwas wird.“

SZARY ÜBER CONTAINER

„Seecontainer finde ich faszinierend. Es gibt eine Einheit, die 20 Fuß lang ist und eine die 40 Fuß misst, das ist der Standard. Es gibt auch 45 Fuß und in den USA gibt es sogar fast 58 Fuß lange Container, aber da ist ja sowieso alles größer. Eigentlich eine wirklich interessante Geschichte, die bis in die 40er Jahre zurück geht, sogar noch länger. Es ging darum, die perfekte Symbiose zwischen Straßen-, Schienen- und Schiffstransport zu finden. Das ist genauso, wie wenn man ein Format für Papier hat – es gibt zwar noch etliche andere Formate, aber man einigt sich letztendlich doch auf eines. Die Frage ist ja, wie kriegt man Sachen am besten unter? Es geht ja schon bei der Euro-Palette los, 80 x 120 Zentimeter, die passt nicht perfekt in den Seecontainer, da bleibt immer ein bisschen Überschuss an Platz.

Die richtige Container-Manie wurde geweckt bei mir, als wir auf einem Moderat-Gig in Seoul in Südkorea bei Platoon gespielt haben. Die kennt man ja aus Berlin, drei Container plus Swimming Pool. Den Fakt, dass man sich ein Büro auf temporären Flächen einrichtet, das man wieder mitnimmt, fand ich einfach generell eine super Lösung. Ich dachte mir, es wäre einfach geil darin ein Studio zu haben. Das Raumgefühl ist schon schön da drin. Wenn ein Fenster drin ist und Licht reinkommt, bekommt man auch keinen Schiss… ich habe ja einen Container, wo momentan noch kein Fenster drin ist. Wenn du da ganz hinten an der Endwand stehst und rausguckst und dann jemand die Tür zumachen würde, wäre das schon gruselig. Um zurück zum Anfang zu kommen, wir haben also damals in Seoul gespielt, wo sie 40 Container haben, die zu einem riesigen Würfel zusammengestellt sind mit Terrasse und Restaurant. Von außen denkt man, das sind diese 40 Container, aber drinnen ist das Ganze ausgehöhlt, und es ist ein sehr schönes Gebäude. Zwei Tage später haben wir in Singapur am Containerhafen in einem alten Lagergebäude gespielt. Draußen gab es einen Laubengang, wo man rausgehen konnte und wir hatten einen direkten Blick auf den Containerhafen. Wir standen dort, weil in dem Moment nichts voranging und haben eine Stunde lang das Treiben in dem Hafen beobachtet. Wahnsinn, wie schnell heutzutage Schiffe entladen werden, wie viele Container auf diese riesigen Schiffe raufpassen. Das sind ja teilweise 17.000 Einheiten.

Man weiß auch nicht, was drin ist. Letztlich schippern die Dinger um die Welt und das ist eine so schön verdeckte Angelegenheit. Ich find ihn als Form einfach schön… es ist wirklich so, dass man auf Tour vom Flughafen in die Stadt fährt und dann „Oar geil, Container… Szary kiek mal da!” Und dann *knips*. Irgendwann hat man sich dann auf Marken oder Namen eingeschossen. Zum Beispiel freut man sich immer über einen Hamburg Süd Container. Wenn du in Südamerika oder Nordamerika bist und stehst da an einer Kreuzung und dann fährt ein LKW rüber, Hamburg Süd, das ist geil.

Momentan baue ich mir auch tatsächlich mein Studio in meinen Container, sozusagen mein Gartenstudio. Im Sommer kommen Fenster rein, Stromkabel liegt schon, dann kommt eine Holzverkleidung rein mit Dämmung, in der Hoffnung, dass sich die Akustik etwas verändert, weil ein Container im Leerzustand eine unfassbare Bassdrum-Resonator-Kammer ist.

Abschließend kann ich nur sagen, es ist eine interessante Kiste!“

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