Nach dem Motorradunfall von Sascha Ring aka Apparat, den er wenige Tage nach unserem Gespräch im letzten Sommer hatte, wurde die Moderat-Tour um einige Monate verschoben. Nun ist er aber wieder wohl auf und auch seine beiden Mitstreiter, Gernot Bronsert und Sebastian Szary, die man sonst noch als Modeselektor kennt, erfreuen sich ebenfalls beide bester Gesundheit. Wir unterhielten uns mit allen dreien vor ihrem zweiten Berlin-Konzert über schmutzige Wäsche und die Tücken der Lightshow. (Interview und Illustration: Julius Brodkorb)
Wie war euer erstes Berlin-Konzert zu dieser Tour vor zwei Tagen?
Sascha Ring: Das kommt mir schon wieder sehr lange her vor.
Seid ihr überhaupt noch nervös vor euren Auftritten? Oder habt ihr euch mittlerweile daran gewöhnt?
Sascha: In Berlin bin ich immer noch aufgeregt. In Städten wo man nur hinfährt um dort sein Set zu spielen, ohne dass man jemanden kennt, ist es irgendwie anonymer. Das macht schon einen großen Unterschied, man kann dann das Konzert konzentriert und ohne großartige Aufregung über die Bühne bringen. Aber wenn du weißt, dass da mindestens 200 Leute sind, die auf deiner Gästeliste stehen und die du alle persönlich kennst, ist das schon etwas anderes.
Sebastian Szary: Vorgestern hatte ich schon eher ein Schraubzwingen-Gefühl als beim heutigen Konzert. Wir kamen mittags aus Wien an, fuhren hier auf den Hof, es wurde gleich aufgebaut und man war nur kurz Zuhause. Das war schon eine ziemliche Spannung.
Gernot Bronsert: Ich fand es ehrlich gesagt nicht so aufregend. Wahrscheinlich weil ich total müde war. Ich war völlig fertig von dieser Tour und habe mich aber den ganzen Tag mit einer gewissen Anspannung gerettet, aber dann mitten im Gig bei „Le Grande Marches“… Alter! Das hatte ich auf Tour schon ein paar Male, dass bei diesem Stück die Müdigkeitsbombe bei mir einschlägt, weil der Rhythmus so komisch ist. Ich musste einmal ganz doll gähnen, ich glaube in Paris. Ich hab dann ganz schnell daraus einen ekstatischen Move gemacht, bevor es einer merkt. Ich fand das Konzert in Berlin gut, aber ich kam schon lange nicht mehr so gut damit zurecht, umgeben zu sein von Leuten, die ich kenne und die mich kennen, die mich lange nicht gesehen haben und alle mit mir reden wollen. Das stresst mich einfach nur. Das ist das eher anstrengende daran. Aber als ich auf der Bühne stand, sah ich direkt einen Typen mit einem „Underground Resistance“-Shirt und dachte mir „Cool, Berlin – alle da!“
Erkennt man überhaupt einzelne Personen im Publikum?
Szary: Ja, ich habe viele erkannt.
Gernot: Ich nicht! Ich hab keinen erkannt!
Szary: Erstmal hat man überhaupt keine Zeit zu gucken. Und dann wirst du durch die Spots geblendet. Aber ab und zu pickst du dir jemanden raus und dann fällt einem ein Gesicht auf, das man kennt. Ansonsten ist man natürlich total beschäftigt.
Habt ihr euch dann vor dem Konzert abgeschottet um nicht etliche Hände schütteln zu müssen?
Gernot: Nee, die Leute die man vor dem Konzert Backstage sieht, das sind ja die, die man eh oft sieht. Und Sascha ist glaub ich eh erst eine halbe Stunde vor dem Gig angekommen.
Sascha: Das hat auch praktische Gründe. Ich will nicht viel reden vorher, weil das auch auf die Stimme geht. Es ist vielleicht auch noch laut und dann schreit man ja die ganze Zeit.
Jetzt wart ihr ja schon eine ganze Weile mit dem Tourbus unterwegs – was ja bestimmt auch lustig sein kann – aber was fehlt euch wirklich unterwegs?
Gernot: Eine richtig schöne Dusche und ein breiteres Bett. Und wenn mein Sohn ein bisschen älter ist, kann er auch mitkommen, dann vermisse ich ihn auch nicht mehr so sehr. Diese normalen Bequemlichkeiten in der Zivilisation sind nicht immer so, wie man sie sich wünscht. Rock’n’Roll ist nicht glamourös.
Sascha: Das ist wirklich eine Fehlannahme. Gerade Bands führen nicht gerade ein glamouröses Leben. Man sehe sich alleine die Backstage-Räume an, oder den Tourbus.
Gernot: Auch wenn wir zwischendurch in Hotels gewesen sind, einfach um auch mal vernünftig zu schlafen, aber das macht es nicht wett.
Man schläft ja auch oft schlecht in fremden Betten.
Gernot: Ja, ein Tourbus hat auch etwas ganz Sympathisches, man hat ein fahrendes Zuhause und arrangiert sich damit, kennt die Küche und weiß was im Kühlschrank ist, man spielt Playstation…
Aber geht man sich nicht manchmal auch gegenseitig auf die Nerven?
Gernot: Eigentlich nicht, irgendwie sind wir eine Crew wo alles toll funktioniert.
Wie viele Leute seid ihr denn insgesamt im Bus?
Gernot: Zwischen 9 und 13 Leute sind dann im Bus.
Heute habt ihr noch Jon Hopkins zum Auftritt mitgebracht. Was haben die Zuschauer zu erwarten?
Szary: Dienstag hatten wir Anstam dabei und heute haben wir Jon Hopkins eingeladen. Wir haben ihn ja schon letztes Jahr öfter getroffen, unter anderem in Montreal und Belgien, beim ersten Teil der Tour, die ja nur aus zehn Gigs bestand.
Gernot: Super Type! Wir kennen ihn aber schon eine ganze Weile. Sein Album hat er Sascha schon gegeben damals, bestimmt ein Jahr bevor es herauskam. Jon Hopkins ist der Beweis dafür, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Er hat schon sehr viele Alben rausgebracht und es einfach immer durchgezogen.
Ich erinnere mich noch an eine Ankündigung, dass es auf dieser Tour keine Videos bei euren Visuals geben sollte, was ihr aber später wieder zurückgenommen habt. Wie sind die aktuellen Visuals denn entstanden?
Gernot: Wenn man es ganz genau wissen will, muss man KRSN von der Pfadfinderei fragen. Denn im Großen und Ganzen war es so, dass wir der Pfadfinderei freie Hand gelassen haben.
Habt ihr euch denn überhaupt gesehen in der Entwicklungsphase?
Gernot: Doch, sie waren bei uns um sich das Material anzuhören, aber wir haben uns nicht explizit dazu geäußert, was wir an welcher Stelle haben wollen oder welche Filme gemacht werden sollen. Ich glaube wir hatten gewisse Vorgaben, dass wir es nicht so bunt haben wollten.
Sascha: Wir haben zusammen ein Konzept gemacht, aber dann war es auch gut so den Pfadfindern ihren Freiraum zu überlassen. Man wird am Ende ja dann überrascht und andere Personen bringen dann noch eine weitere Perspektive, und auch eine gewisse Tiefe, mit dazu.
Szary: Überraschend war es auch, das sie altes Videomaterial von der Tour zum ersten Album untergebracht haben. Das haben sie meiner Meinung nach sehr gut gelöst.
Es gibt ja jetzt fünf Leinwände, vier halb transparent und in X-Form aufgestellt und eine im Hintergrund.
Szary: Ja, das ist schon ziemlich toll geworden! Natürlich will man vorne in der Mitte des Publikums stehen, aber man kann jetzt auch seitlich zur Bühne stehen, das ist vielleicht sogar noch viel interessanter.
Und wie lange seid ihr jetzt noch auf Tour mit dem Album?
Sascha: Das Jahr ziehen wir noch durch, aber dann ebbt es wahrscheinlich wieder langsam ab, weil wir dann auch wieder ins Studio gehen wollen.
Das heißt ihr setzt euch dann auch wieder als Moderat zusammen?
Gernot: Wir moderieren das mal vorsichtig an, weil man ja nie weiß, was dabei rauskommt. Um ehrlich zu sein haben wir mit Moderat noch nicht soviel gesagt, wie wir gerne möchten.
Was ja vor einigen Jahren noch ganz anders klang.
Gernot: Ja, das ist halt wahnsinnig interessant, was in der Musikwelt und gerade auch der elektronischen Szene so passiert. Ich bin ja ein relativ scharfer Beobachter, ich hab ständig Ideen, was man machen könnte. Aber vor allem möchte ich das mit diesen beiden Typen hier zusammen machen.
Sascha: Es ist zwar auch auf eine Weise anstrengend zusammen Musik zu machen, aber man kommt trotzdem sehr schnell zu Ergebnissen.
Szary: Wir sind gerade einfach voll drin. Bei der Produktion brauchte man ein bisschen Anlauf, jeder kam aus seinem eigenen Kosmos und dann haben wir uns synchronisiert. Dann kam die Tour, mit Unterbrechung, und man merkt…
Gernot + Szary: …das fühlt sich gut an!
Ist Modeselektor im Moment ein Thema?
Gernot: Wir werden auf jeden Fall krasse DJ-Stars! Nee, jetzt erscheint erstmal eine neue Modeselektion, aber ansonsten halten wir uns da im Moment ein bisschen zurück. Wir wollen uns gerade wirklich nur auf Moderat konzentrieren und auf die Labels. Wir haben schon ziemlich viel gesagt mit Modeselektor, ich glaube Sascha hat auch schon ganz schön viel mit Apparat gesagt. Mit Moderat gibt es gerade einfach mehr Potential, schon für uns aus künstlerischer Sicht ist das befriedigender. Es ist auch abenteuerlicher und neuer, das macht Spaß!
Liegt das daran, dass ihr so unterschiedlich, oder euch doch eher ähnlich seid?
Gernot: Aus beiden Gründen, beides stimmt. Ich hab neulich noch mal darüber nachgedacht, weil die Frage öfter gestellt wird und sie schwer zu beantworten ist. Eigentlich liegt es daran, dass wir uns kennen gelernt haben, als wir noch Kinder waren und das verbindet uns bis heute. Wir sind natürlich in sehr unterschiedliche Richtungen gegangen, aber wir kennen Sascha ganz anders als der Rest der Welt und umgekehrt genauso. Auch wenn wir ziemlich viel von unseren Persönlichkeiten preisgeben. Wir stellen zwar nicht ständig Kinderbilder von uns ins Internet, aber wir sind ja schon die Sympathiebolzen. Ich finde schön, dass wir einen angenehmen Respekt untereinander haben, sind aber auch angenehm unbeeindruckt vom anderen. Es geht eher um die drei Kumpels und die Künstler Modeselektor und Apparat werden ausgeklammert. Man kennt sich und man weiß was andere kann und was nicht. Und was man dem anderen unverblümt sagen kann und was nicht, das ist doch eine komfortable Situation. Ich glaube jeder von uns wünscht sich insgeheim, dass der andere mit etwas ganz Grandiosem aus der Ecke im Studio kommt. Wir lauern uns so zu dritt an!
Und Szary singt neuerdings auf den Konzerten!
Szary: Ja, das hat schon ganz doll die Runde gemacht. Irgendwie kam die Idee auf das live mit einer weiteren Stimme zu probieren.
Gernot: Ihr beide wart das! Sascha hat Szary dabei immer unterstützt, ich nicht. Ich ertrag’s nämlich nicht. Das hat nichts damit zu tun, dass er schlecht singt.
Szary: Das ist wie?
Gernot: Wie wenn du deine Eltern beim Sex beobachtest…
Szary: Da kannst du mal sehen, wie wir beide miteinander verschmelzen.
Gernot: Wenn du so ein In-Ear-Monitor-System im Ohr hast, dann hörst du ja alles ganz dicht und dann auch das Schmatzen… nee, hör auf!
Bei Sascha geht das, aber bei Szary nicht?
Gernot: Ich hab ja zu Szary ein sehr brüderliches Verhältnis. Das ist schon irgendwie mehr wie Verwandtschaft.
Szary: Ich höre auch einfach nicht, was Gernot macht. Bei mir ist totale Stille auf dem In-Ear.
Es ist auch unterhaltsam euch drei getrennt voneinander auf der Bühne zu betrachten.
Gernot: Jeder feiert seinen eigenen Rave. Aber trotzdem immer gemeinsam!
Szary: Lustige Geschichte zum Gesang: Einmal war Sascha noch im Hotel und wir mussten schon einen Soundcheck machen. Wir haben ja einen Monitor-Mann, der an der Seite steht und nicht sichtbar für’s Publikum ist. Dann ging es um den Test der Vocals und unser Monitor-Mann hat einfach Saschas Gesang von „This Time“ gesungen.
Gernot: Er hat vorher richtig geübt und war dann ganz aufgeregt! Die Crew wusste, dass er das machen will, wir wussten es aber nicht. Alle standen da und haben gewartet, ob er sich das traut. Und dann ist unser Monitor-Mann auf die Bühne gekommen und hat dann „This Time“ auf der Bühne mitgesungen, aber auch genau so hoch!
Sascha: Ich glaube, das ist so ein Monitor-Mann-Ding. Auch bei der Apparat Band, die hören einfach alles ganz genau, die gesamte Zeit über. Irgendwann konnte der auch den Soundcheck für mich machen und hat die Songs singen können, auch die Texte.
Das frage ich mich generell ja immer bei langen Live-Touren. Hält man das eigentlich noch aus, immer und immer wieder die selben Stücke zu hören?
Sascha: Man muss sich über die kleinen Sachen freuen.
Gernot: Ich glaube, da funktioniert auch jeder anders. Sascha nervt es manchmal, Szary ist es glaub ich egal, aber wir ticken da ähnlich. Überleg mal, wir spielen mit Modeselektor „Kill Bill“ seit 2005. In jedem Set.
Szary: Das Ding wollten wir schon ganz oft abschaffen.
Gernot: Aber dann spielst du es mal nicht und die Leute rufen „Kill Bill! Kill Bill!“. Da wird dir dann klar, dass du den Gig nicht für dich spielst, sondern für die Leute. Danach geht es dann darum, dass du den Song so fett wie möglich spielst. Ich finde, wir haben immer verschiedene Nuancen und ich merke jedes Mal wie perfekt wir das machen wollen und dass es immer perfekter wird. Deshalb haben wir die Berlin-Gigs nach dieser Tour auch als letzte angelegt. Wir sind mittlerweile so drin, dass wir blind spielen können. Ich hab links und rechts von mir zwei LED-Leuchten, die mich total nerven, aber ich habe keine Lust zu Christoph, unserem Lichtmann zu gehen und zu sagen, dass ich die nicht haben will. Ich mache einfach die Augen zu, denn wenn ich die Augen auflassen würde würde ich blind. Das ist mir schon ein paar Mal passiert, deshalb mache ich bei „Last Time“ die Augen zu.
Sascha: So hält man sich selber beim Konzert immer schön entertained.
Eine letzte Frage noch, wer ist eigentlich für die Schmutzwäsche auf Tour zuständig?
Gernot: Hubi!
Sascha: Also eigentlich macht man das schon selbst. In absoluten Notsituationen, wenn man gerade Interviews und Soundcheck hat, dann schon mal irgendwer anderes. Hubi.
Gernot: Schreib Hubi!
Sascha: Mal ganz im Ernst, egal wo’s hingeht, gewisse Sachen kann man ja wohl noch selbst machen.
Gernot: Noch ein Grund mehr nicht mehr so lange auf Tour zu gehen. Wenn du schon dein Zeug waschen musst, ist es schon irgendwie zu hart. Lieber immer so viele Sachen mitnehmen, wie ich brauche. Szary hat’s einfach, der hat ja nur einen Overall an.
Szary: In Wirklichkeit hab ich zwei.
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