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APPARAT ÜBER MODERAT,

KLEINE KINDER UND ABWECHSLUNGEN

Sascha Ring ist für sich gesehen bereits sehr erfolgreich. Er veröffentlicht seit ungefähr zwölf Jahren Platten, zuletzt zusammen mit seiner Band. Gerade erst hat er den Soundtrack für Leo Tolstois Theaterstück „Krieg & Frieden“ während der Ruhrfestspiele in Recklinghausen geschrieben und aufgeführt. Vor zehn Jahren tat er sich mit seinen Freunden Gernot und Szary zu einem kleinen Projekt zusammen. Ein richtiges Album sollte erst vor vier Jahren folgen, und was eher als Experiment begann wurde nun auch ein durchschlagender Erfolg. Jetzt erscheint das zweite Album der drei Freunde, der Titel lautet schlicht „II“. Die Rechnung lautet aber nicht mehr Modeselektor + Apparat = Moderat sondern Moderat = Sascha + Gernot + Szary.  (Interview & Fotos: Julius Brodkorb)

Welche Arbeit war schwieriger, die zum ersten oder zweiten Album?

Gute Einstiegsfrage, weil ich mich das auch schon ganz oft gefragt habe. Dem Erinnerungsvermögen eines Menschen, zumindest meinem, kann man ja gar nicht richtig trauen, weil es sehr selektiv ist. Beispielsweise sagt man oft, dass man nur Spaß in seiner Kindheit hatte. Dann erinnert man sich aber wie man vielleicht doch schon mal verprügelt wurde. So ist es auch mit dem ersten Album, an das ich eigentlich nur noch positive Erinnerungen habe und als die geilste Zeit meines Lebens abgespeichert habe. Aber wenn ich ein bisschen länger drüber nachdenke, fällt mir wieder ein, dass es auch damals schon ziemlich hart war. Einfach weil man bei einem Konzept von drei Produzenten, die alle eine eigene Meinung haben, das Gleiche können und machen und einer kompletten Demokratie einfach nicht mehr aus dem Reden rauskommt. Eigentlich stimmt man nur die ganze Zeit über Sachen ab.

Ich erinnere mich auch daran, dass damals einer von euch die Tür geknallt und das Studio verlassen hat.

Ja, daran erinnere ich mich auch tatsächlich noch, dass es einen richtigen Clash gab, einen richtigen Streit und einer wie ein bockiges Kind rausgerannt ist. Das ist wirklich nur einmal passiert. Ich habe eigentlich vorher erwartet, dass das viel öfter vorkommt. Diesmal passierte es aber nicht ein einziges Mal. Am Ende wurde alles immer relativ „erwachsen“ ausdiskutiert, was aber natürlich lange gedauert hat. Die Situation war beim ersten Album die selbe, ich hatte es nur wieder vergessen. Der Eindruck jetzt ist selbstverständlich viel frischer, weshalb ich spontan sagen würde, dass das zweite Album viel härter war. Das ist aber nicht so. Es ist nicht unbedingt ein Zuckerschlecken, wenn wir drei im Studio sitzen. Was auch wichtig ist, weil man doppelt so hart arbeiten muss um die anderen zu überzeugen und seine Idee durch zu bringen. Man muss einfach an seine Ideen glauben um den Wert darin zu sehen und diese den anderen gegenüber zu verteidigen. Das ist eben Arbeit im Studio.

Ich frage dich einfach noch einmal in einem Jahr, worin sich die Arbeit der beiden Alben unterschieden hat.

Was diese beiden Alben ganz stark unterscheidet ist, dass auf dem neuen gerade durch den erhöhten Vocal-Anteil andere Probleme mit ins Boot kamen, auf die die beiden anderen Jungs nicht vorbereitet waren. Wenn ich anfange zu singen, bin ich doch ein wenig empfindlicher. Ich kann nicht mal richtig was dafür, weil es für mich einfach emotionaler ist, näher an mir dran. Das bedeutet nicht, dass ich da weniger kritikfähig bin, aber ich will dann weniger von meinem Pfad abweichen. Wenn ich eine Synth-Melodie spiele und jemand sagt, dass wir drei Töne ändern – OK. Aber wenn ich was gesungen habe und derjenige vorschlägt, die drei Töne zu ändern, dann ist mein erster Gedanke: „Das bekomme ich nie wieder so gut hin! Wir nehmen das jetzt, das ist geil!“ Oder ich mache was, das ich selber schlecht finde und noch zehn mal besser machen könnte und die anderen finden das aber schon perfekt. Was dann die andere Seite davon ist. Jedes Mal gibt es dann richtig hitzige Diskussionen.

Und das war oft der Fall?

Das war oft. Ich glaube die beiden haben das nur so gut abgekonnt, weil sie jetzt mittlerweile vier Jahre Kindererfahrung haben und Stress mit kleinen Kindern wie mir gewohnt sind.

Du bist ja der einzige bei Moderat der keine Kinder hat.

Ja, ich verhalte mich nur wie ein Kind. Das haben die beiden Jungs aber ganz gut gemanaged.

Das Album „II“ ist meines Erachtens eklektischer, vom Sound her abwechslungsreicher.

Lustig, dass du das sagst. Ich habe das schon öfter gehört, wobei meine Meinung eher gegenteilig ist. Ich habe eher das Gefühl, dass die erste Platte diverser war, mit den ganzen HipHop und Ragga-Ausflügen, die kurz aufblitzten. Das alles gibt es jetzt nicht mehr, alles ist ein bisschen an der Seite abgehobelt worden und übrig geblieben ist eher das Mittelfeld, in dem wir uns auch schon vorher aufgehalten haben. Was ebenfalls fehlt, sind die extremeren Club-Ecken. Die Leute sagen immer „Wo ist jetzt der New Error-Song?“ und ähnliches, aber irgendwie hat das nicht gepasst. Wir haben uns zwar immer hingesetzt und gedacht, dass wir noch eine Club-Nummer machen, aber dann gemerkt, dass es krampfig wurde und wir eigentlich keine Lust darauf haben.

Ich finde, dass Album entwickelt sich beim öfteren Hören und wird dann zur besseren der beiden Platten.

Für mich sind das ja generell die besseren Alben, die die sich reinschleichen und die dann länger bei einem bleiben und nicht direkt wieder vergessen werden. Aber in der heutigen Zeit ist es auch schwierig die Leute dazu zu bewegen sich das Album mehrmals anzuhören. Deswegen weiß ich nicht genau, was mit diesem jetzt passiert. Aber das habe ich wirklich schon öfter gehört, dass die Leute sich erst hinein hören mussten, was ja auch mit Erwartungen zu tun hat, vor allem nach dem ersten Album.

Liegt der neue Sound nicht auch ein wenig daran, dass sowohl du als Apparat als auch Modeselektor mittlerweile generell mehr in die Richtung Song gehen, wenn auch stilistisch auf verschiedene Weise?

Ja, dadurch ändert sich natürlich auch die Art und Weise, wie man auf seine eigene Musik blickt. Wobei Gernot noch am ehesten die Perspektive auf den Club hat, was auch sehr wichtig für uns ist. Ansonsten würde es wahrscheinlich manchmal zu verspielt werden und er erinnert uns immer wieder daran, woher wir kommen. Das ist was uns verbindet – Detroit-Techno. Man muss das Song-Phänomen ja nicht total überstrapazieren.

Vor einiger Zeit hast du mir gesagt, dass du auf Rave und Party zur Zeit keine Lust mehr hast. Hat sich das wieder geändert?

Ich bin einfach schnell gelangweilt. Ich muss mich selbst immer wieder mit neuen Wegen beschäftigen, weswegen ich gerade auch die „Krieg & Frieden“-Platte gemacht habe. Ich hatte noch Zeit bis zum Winter, wo die Arbeit mit Moderat ja schon von langer Hand geplant war. Daher habe ich mich überreden lassen, diese Platte zu machen und dazu eine kleine Tour, weil es eben Ende des Jahres wieder den Kontrast in Form von Moderat dazu geben würde. Mit Moderat stehen wir dann ja wieder auf der Bühne mit Show und dicken Bässen, weshalb ich dann immer mal wieder so etwas Leises wie „Krieg & Frieden“ dazwischen schiebe. Das hat vom Timing und vom Gefühl her super funktioniert.

Nachdem ihr nach dem ersten Album eure Auflösung bekannt gegeben habt und Moderat vermeintlich Geschichte war, seid ihr jetzt wieder da. Wann kommt das dritte Album?

Das war ja nach dem ersten Album. Das war ein Testflug, bei dem wir gar nicht wussten, was wir da machen oder was am Ende dabei rauskommt. Für uns war das am Anfang nur eine Spaß-Nummer. Das wir das erste Mal gesagt haben, dass es vorbei ist,  das war am Ende der ersten Tour-Phase. Wir glaubten ja selbst, dass wir nicht noch mal spielen. Daraufhin sind wir aber alle in eine Art Loch gefallen. Dann dachten wir, dass das totaler Quatsch ist und dass wir natürlich weiter spielen. Während dieser Zeit ist uns bewusst geworden, dass wir auf jeden Fall noch eine Platte machen müssen. Zu diesem Zeitpunkt ist es auch eine Art Band geworden, vorher waren es eher die beiden Projekte Modeselektor und Apparat, die sich zusammen auf eine Bühne gestellt haben. Während der Tour haben wir dann angefangen an neuer Musik zu arbeiten. Von dem Material hat es zwar nichts auf das neue Album geschafft, aber man merkte daran, dass es wieder ernst wurde und wir drei eine Vision teilen. Ab jetzt ist nicht mehr die Frage, ob es eine neue Platte gibt, sondern nur, wann wir wieder die Zeit dafür finden.

Wer von euch ist eigentlich mit Illona rausgegangen? (Illona ist der Hund von Gernots Familie, der meistens mit im Studio ist und dem sie ein eigenes Stück auf dem Album gewidmet haben)

Sie muss eigentlich gar nicht so oft raus, aber meistens war es Szary, weswegen sie auch so auf ihn fixiert ist. Es ist erstaunlich, wenn der Hund im Studio sitzt, der Fahrstuhl ist 20 Meter weit weg und da sind zwei Türen dazwischen, aber wenn Szary hinter diesen zwei Türen aus dem Fahrstuhl kommt, bekommt Illona das mit und springt schon auf. Das ist unfassbar, wie sensibel so ein Hund ist. Das Studio ist auch hundefreundlich, weil man nicht mehr so laut sein darf. Im Modeselektor-Studio wird von unten gegen die Decke geklopft wenn es vor 18:00 Uhr zu laut wird. Wenn man mal wirklich die Musik laut hören will, dreht man eben nachts mal auf. Aber man hört ja die Musik beim Produzieren auch nicht laut.

Ich habe gehört, dass Air ihre Musik auch immer in Zimmerlautstärke hören beim Aufnehmen, weil sie der Meinung sind, dass man nichts mehr beurteilen kann, wenn es zu laut ist.

Das stimmt, zur Beurteilung ist das nicht notwendig, aber fürs Gefühl. Für die Motivation oder Inspiration während einer Nachtsession, wenn man ein Bier trinkt und eine Kippe dabei raucht macht man auch mal tierisch laut, damit es dich kickt.

Mal was ganz anderes, was hältst du von Szarys Containerfaszination?

Ich war ja die ganze Zeit dabei. Ich glaube, was Szary so begeistert hat, waren die beiden Erlebnisse in Korea und in Singapur, wo beide Male Container waren. In Singapur direkt am Hafen, das ist unfassbar beeindruckend, diese unglaublichen Massen an Containern, die da stehen, wo sich die ganze Weltwirtschaft drüber bewegt. Szary hat wie ein kleines Kind aus dem Fenster geguckt als wir dort vorbei gefahren sind. Und danach hat er die ganze Zeit darüber geredet und es hat sich ein kleiner Fetisch daraus entwickelt.

Und was ist Gernots geheimer Fetisch?

Nach wie vor immer noch Bassdrums. Abseits von Musik weiß ich es nicht genau, aber es ist immer noch lustig, wie sich Gernot über eine fette Bassdrum freuen kann im Studio. Gernot ist derjenige, der als erster aufdreht. Man kann dann beobachten, wie er das eine Weile abfeiert und immer wenn jemand was sagen will: „PSSSSST!“ Das ist im Grunde die Begeisterung eines kleinen Jungen für Spielzeugautos.

Im Grunde seid ihr alle doch noch kleine Jungs geblieben.

Das ist ja das Schöne an unserem Beruf, wir können uns das zum Teil ja erlauben. Die beiden haben zuhause doch ein ziemlich normales Leben mit Familie, was ja auch wichtig ist. Aber wenn sie dann ins Studio kommen, sind sie auch nur Kinder. Da wird dann schon die Zeit genutzt herrumzualbern und wir denken uns manchmal: „Sind wir nicht 35 Jahre alt? Was machen wir hier eigentlich gerade?“.

Du hast deine Freizeit wiederum viel mit Reisen verbracht, bist unter anderem mit deinem Motorrad durch die Welt gefahren.

Komischerweise selbst wenn ich nicht spiele, steige ich trotzdem des öfteren in ein Flugzeug und fliege irgendwo hin, hänge da ab und gucke mir Sachen an. Mein Manager meinte schon öfter, ob ich nicht lieber auch mal zuhause bleiben will. Mehr und mehr beherzige ich das auch und freue mich auch mal, wenn ich wieder zuhause bin. Ich trete auch nicht mehr so viel auf und versuche mal wieder mein Leben in Berlin zu etablieren, was ich ein bisschen aus den Augen verloren habe.

Auswandern wirst du also nicht?

Naja, vielleicht doch mal für eine Weile. Wohin ist die Frage. Ich habe diese Phantasie, dass ich mal für eine Weile komplett eremitenmäßig irgendwo leben würde, wo wirklich nichts los ist. Ich komme auch gerade aus Italien, wo ich auf einer kleinen Insel war. Dort gab es keine Mopeds, sondern nur Wege, wo man den Vulkan hochlaufen konnte, drei Straßen und zwanzig Häuser. Das hat schon seinen Reiz. Zumindest für eine Weile könnte ich mir das als kreative Zwangsmaßnahme vorstellen. Dort wird man bestimmt wahnsinnig produktiv, weil es dort nichts Anderes zu tun gibt. Das hört sich eigentlich ganz geil an, das mache ich vielleicht irgendwann. Zumal ich ja kein eigenes Studio mehr habe, weil ich es verkauft habe.

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